In dieser Woche wird der Doppelhaushalt in Hamburg für die beiden kommenden Jahre 2023/2024 verabschiedet.

Das zu verteilende Gesamtbudget beträgt insgesamt 18.2 Mrd. Euro für das Jahr 2023 sowie 18,8 Mrd. für das Jahr 2024.

Hierzu erklärt der fraktionslose Bürgerschaftsabgeordnete Mehmet Yildiz: „Und wieder wurde eine Chance vertan, der weit fortgeschrittenen Spaltung unserer Gesellschaft entgegen zu treten. Gerade in der jetzigen Krise, die viele Menschen an den Rand des Ruins treibt, müsste der Senat mit den Gewerkschaften, Sozialverbänden, sozialen Trägern und den Trägern der Jugendhilfe sowie migrantischen Organisationen, sprich mit der Gesellschaft, diskutieren, um den tatsächlichen Bedarfen gerecht zu werden. Wieder einmal wurde der Haushalt jedoch vorbei an den Hamburger_innen gemacht.“

Daseinsvorsorge und soziale Absicherung gehören in staatliche Hand

„Geld, auch für die beiden folgenden Haushaltsjahre, scheint ausreichend vorhanden zu sein, nur wird es hauptsächlich für diejenigen ausgegeben die ohnehin schon privilegiert sind oder eine entsprechend starke Lobby haben.

Viel Geld ist zum Beispiel da für:

– jährlich werden Geldbeträge zum Ausgleich der HSH-Nordbank-Pleite gezahlt

– Verlustausgleiche der vielen landeseigenen deutlich über 300 Schattenhaushalten

– Sanierungskosten der mittlerweile im Rahmen des Mieter Vermieter Modells verkauften landeseigenenen Immobilien wie z.B. die Finanzbehörde Gänsemarkt, Hochschulgebäude, das Gesundheitsamt, die ehemalige Ausländerbehörde Amsinckstraße und Bezirksämter

– finanzielle Unterstützung von Großunternehmen aufgrund von coronabedingten negativen Auswirkungen.

Um die Bedarfe der Hamburger Bevölkerung zu decken, muss das vorhandene Geld stattdessen unter Anderem dafür ausgegeben werden die Daseinsfürsorge – Wohnungsbau, Gesundheitswesen, Strom, Gas, Wasser, Bildung, Soziale Absicherung – wieder in die öffentliche Hand zu bringen. Nur so kann eine solidarische Stadt geschaffen werden, die für alle Menschen lebenswert ist,“ so der Abgeordnete weiter.

Das Armutsrisiko liege über dem Bundesdurchschnitt, in Hamburg bei 17,3 %, im Bundesdurchschnitt bei 16,6 %. Yildiz kritisiert, „Viele Haushalte sind auf Tafelangebote und ehrenamtliche Hilfe angewiesen. Staatliche Aufgaben ins Ehrenamt zu verlagern ist zynisch. Für eine reiche Stadt wie Hamburg ist es ohnehin eine Schande, dass zunehmend größere Teile der Bevölkerung auf Angebote von engagierten Menschen, wie bei den Tafeln, angewiesen sind. Die Lebenshaltungskosten, insbesondere für Lebensmittel und Energieversorgung steigen insbesondere durch Krieg und Sanktionen immer weiter und treiben absehbar Lohnabhängige, Selbstständige und kleine Unternehmen in den Ruin. Zudem können Mieter_innen sich nicht für Alternative Energien entscheiden, sie sind auf ihre Vermieterentscheidungen angewiesen.“

Umverteilung des Reichtums für eine solidarische Stadt

Zum Thema Soziales und Haushalt bekräftigt Yildiz, „Armut schafft Reichtum, Reichtum schafft Armut. Die Anzahl der reichen Haushalte steigt und gleichzeitig werden die reichen Haushalte immer reicher. 1 % der Bevölkerung besitzt ein Viertel der Vermögenswerte, die reichsten 10 % besitzen 60 % der Vermögenswerte, während 2/3 der Bevölkerung über ein niedriges oder gar kein Vermögen verfügen. So ist die Situation im ganzen Land. Laut parititäschem Armutsbericht liegt Hamburg mit einer Armutsrisikoquote von 17,3 % sogar noch über dem Bundesdurchschnitt von 16,6 %. Die riesigen Vermögen Einzelner werden nicht oder kaum zur Finanzierung des Sozialstaates und gesellschaftlicher Aufgaben herangezogen.“

Der Abgeordnete fordert eine Umverteilung des Reichtums zugunsten der Allgemeinheit, den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus mit unbefristeter Sozialbindung, den Ausbau sämtlicher sozialer Infrastruktur, die auskömmliche Finanzierung von Sozialen Trägern und den Einrichtungen der Jugendhilfe, die auskömmliche Finanzierung der migrantischen Selbstorganisierung sowie kostenfreies Frühstück in den Kitas und kostenloses Mittagessen in den Schulen.

Würdiges Wohnen ist ein Menschenrecht

„Knapper Wohnraum ist in Hamburg ein großes Problem – und vor allem Wohnen zu bezahlbaren Preisen ist oft kaum mehr möglich. Der viel gepriesene Drittelmix ist eigentlich ein Aufbauprogramm für Eigentumswohnungen, da diese zu Anfang des Programms nur 26% ausmachten. Wir brauchen nicht immer mehr investorenfreundliche Großprojekte wie den Elbtower, sondern ein vernünftiges Programm für sozialen Wohnungsbau. Momentan erzielen Immobilienbesitzer durch gewerbliche Flächen deutlich höhere Nettokaltmieten, als es bei Wohnimmobilien der Fall wäre. Und selbst wenn kein Mieter gefunden wird, so lohnt sich der Leerstand eher als die Vermietung oder die Umwandlung in Wohnraum, weil die steuerliche Absetzbarkeit lukrativer ist. Dieses Geschäftsmodell ist trotz Reformen wie der Mietpreisbremse, die kaum funktioniert, vom Senat so gewollt. So darf das nicht weitergehen“, fordert Yildiz.

Vernünftige Sofortmaßnahmen wären:

– Ein sofortiger Stopp des Baus des Elbtowers

– Mehr als 1000 lehrstehende städtische Wohnungen müssen sofort für Wohnungslose und Flüchtlinge zur Verfügung gestellt werden.

– Teile des aktuellen Leerstandes an Büroflächen von rund 900.000 Quadratmetern muss in Wohnungen umgewandelt und vorwiegend für die Unterbringung von Geflüchteten und Wohnungslosen sowie als Sozialwohnungen genutzt werden.

– Die städtischen Freiflächen müssen von der Hansestadt Hamburg genutzt werden, um städtische Wohnungen zu bauen, die bezahlbaren Mieten ermöglichen.

– 10.000 bis 15.000 neue Sozialwohnungen mit unbefristeter Bindung sollen gebaut werden zusammen mit sozialkultureller Infrastruktur, mit einer jährlichen Fördersumme von rund 500. Mio. Euro. Damit sollen vor allem städtische Unternehmen ohne Profitorientierung und Genossenschaften beauftragt werden.

Yildiz: „Um dabei keine sozialen Brennpunkte entstehen zu lassen, muss neben dem sozialen Wohnungsbau auch die soziale Infrastruktur (Ärzte, Kultur- und Jugendeinrichtungen, Schulen, Kitas, Sportanlagen und ÖPNV etc.) der einzelnen Bezirke und Stadtteile weiter ausgebaut werden. Nicht das Einkommen darf für die Wahl des Wohnortes innerhalb Hamburgs entscheidend sein. Der Senat steht in der Verantwortung das haushaltspolitisch anzugehen.“

Sport für Alle

Weitere verheerende Folgen seien unter anderem, dass immens steigende Kosten für Miete und allgemeine Lebenshaltungskosten kaum abgefedert und Breitensport Angebote zunehmend eingeschränkt würden. „Das gilt insbesondere für Schwimmangebote. Eine ganze Generation von Kindern kann nicht schwimmen. Ute Vogt, die Präsidentin der DLRG kritisiert zurecht, dass von den in Coronazeiten eingeschulten Kindern, die jetzt in der 3. Klasse seien, viele oft noch kein Schwimmbad von innen gesehen hätten, wenn es die Eltern nicht selbst organisieren konnten. Wie sollen Eltern das Schwimmen für Kinder organisieren, wenn sie sich die Kosten dafür schlicht nicht leisten können. Laut DLRG können auch bundesweit lediglich 40 % der Zehnjährigen sicher schwimmen. Bäderland als größter Anbieter von Schwimmkursen in Hamburg hat immense Wartezeiten, freie Plätze sind rar. Private Schwimmkurse sind richtig teuer und daher keine Alternative“, skizziert der Abgeordnete ein Beispiel der Problematik.

Bäderland, ein städtischer Betrieb und eine 100% Tochter der Freien und Hansestadt, habe ausgerechnet zu Saisonbeginn den Geschäftsbetrieb und die Öffnungszeiten eingeschränkt. Freibäder wie Osdorfer Born, Neugraben, Marienhöhe und Finkenwerder wären erst gar nicht geöffnet worden. Wegen selbstverursachtem Personalmangel sowie auch darauf beruhenden hohem Krankenstand.

„Insgesamt wird der Breitensport eklatant vernachlässigt, während das vorhandene Geld für prestigeträchtige Großevents, wie jetzt das Nachdenken über eine erneute Olympiabewerbung durch die Sportbehörde, ausgegeben wird. Insbesondere in armutsgefährdeten Stadtteilen werden die Angebote zunehmend heruntergefahren, der Sport ist nicht für jeden Menschen zugänglich. Die zur Verfügung stehenden Gelder können oftmals von kleinen ehrenamtlich arbeitenden Vereinen nicht beantragt werden, da der hohe Verwaltungsaufwand dazu im Ehrenamt nicht leistbar ist. Die Folgen sind verheerend. Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen wird so erschwert, ein gesundes leben zu führen. Viele Menschen haben keinen Zugang zu Sporteinrichtungen mehr“, so Yildiz.

Abschaffung der Schattenhaushalte und der Schuldenbremse

Außerdem darf es nicht sein, dass Leuchtturmprojekte des Senates außerhalb des Kernhaushaltes über mehr als 300 Schattenhaushalte, GmbHs oder Anstalten Öffentlichen Rechts finanziert werden. Diese unterliegen im Gegensatz zum Kernhaushalt nicht dem Instrument Schuldenbremse. Und wenn es nicht sauber funktioniert, werden die Restkosten ohne Einbeziehung der Legislative wie Bürgerschaft immer wieder erneut dem Kernhaushalt (dem alle 2 Jahre beschließenden Doppelhaushalt) belastet. So geschieht es zum Beispiel nach der Pleite der HSH-Nordbank bis 2040. Diese Budgetanteile fehlen dann bei der Ausfinanzierung sozialer Verantwortung für die Bürger_innen unserer Stadt. Da ist ein Umdenken notwendig. Das sinnlose Instrument der Schuldenbremse sollte darüber hinaus ohnehin dauerhaft abgeschafft werden. Dass das geht, wenn es politisch gewollt ist, haben die Subventionen an große Unternehmen als `Coronahilfen´ gezeigt.“

„Der Haushaltsentwurf ist ein Schlag ins Gesicht der Hamburger_innen, denen der Haushalt eigentlich dienen sollte. Ich möchte an Artikel 1 Grundgesetz erinnern: `Die Würde des Menschen ist unantastbar, Sie zu achten und zu schützen ist Pflicht aller staatlichen Gewalt.´ Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt, insbesondere Hamburg ist eine der reichsten Städte Deutschlands. Es kann nicht sein, dass man hier noch immer nicht die vom Grundgesetz geschützten Menschenrechte achtet.“

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