Offener Brief an den Landesvorstand

Am nächsten Samstag, den 25.02. haben u.a. Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer in Berlin zu einer großen Demo für Verhandlungen und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aufgerufen. Mittlerweile haben mehr 550 000 Menschen eine entspreche Petition – das Manifest für den Frieden – der beiden unterschrieben. Die beiden Hamburger Landessprecher_innen der Partei DIE LINKE treten in Bezug darauf mit ihrem Brief an die Mitglieder, der am 19. Februar per Mail versandt wurde, das Parteiprogramm mit Füßen und stoßen den Hamburger Mitgliedern der Partei vor den Kopf. Sie haben sich offensichtlich für den Weg von Anpassung und für die Beförderung einer eigenen Karriere und gegen eine dem Parteiprogramm verpflichtete offensive Friedensposition entschieden.

Mit ihrer Positionierung, zu einer Kundgebung vor dem russischen Konsulat am 24.02. aufzurufen, die große Demonstration in Berlin jedoch als rechtsoffen darzustellen, tragen sie offensiv zu einer Schwächung und Spaltung der Friedensbewegung bei. Es stellt sich die Frage, warum nicht zu Protesten zum Beispiel vor den Hamburger Rüstungsunternehmen aufgerufen wird, um den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen die Waffenlieferungen einzustellen. Auch stellt sich die Frage warum Sanktionen befürwortet werden, die einen Wirtschaftskrieg bedeuten und die eigene Wirtschaft zerstören, Russland aber zu nichts bewegen werden. Hier in der Bundesrepublik können wir als erstes etwas verändern, wenn wir es denn wollen.

In dem Schreiben an die Mitglieder ignorieren die Landessprecher_innen bewusst eine Betrachtung der historischen Entwicklung der Situation in der Ukraine (NATO- Osterweiterung, Orangene Revolution, Maidan Putsch, Aufrüstung von ukrainischen Nationalisten durch die USA, Bandera Verehrung durch die ukrainische Regierung, das Massaker gegen Gewerkschafter_innen in Odessa, die Kriegsverbrechen des faschistischen Asow Regiments und der ukrainischen Armee im Donbass zwischen 2014 und 2022, die kontinuierliche Weigerung der ukrainischen Regierung den völkerrechtlich bindenden Vertrag Minsk II umzusetzen, 14000 Tote durch den Konflikt im Donbass bis 2022, Zwangsrekrutierung von Männern in die ukrainische Armee, Unterdrückung sämtlicher Opposition in der Ukraine, Erniedrigung von Sinti und Roma in mehreren ukrainischen Städten, die Sprengung von Northstream II – Seymour Hersch zufolge im Auftrag der US- Regierung, die Forderung nach völkerrechtlich geächteter Streumunition durch die ukrainische Regierung – um nur einige Spitzen des Eibergs zu nennen).

Müssen wir befürchten, dass der jetzige Landesgeschäftsführer, wie er es im Frühjahr 2022 tat, am 24. Februar wieder vor dem russischen Konsulat steht und vollkommen bewusstlos „Putinschweine raus der Ukraine“ grölt – sozusagen als Speerspitze der diplomatischen Initiativen? Oder müssen wir befürchten, dass eine/r der Landesprecher_innen sich öffentlich für Waffenlieferungen an die Ukraine ausspricht, wie auf dem Parteitag. Hoffentlich nicht! Vielleicht wurde ja mittlerweile verbal abgerüstet.

Mit einer Positionierung, wie sie die Landessprecher_innen in der Mail vom 19. Februar, vertreten, wird DIE LINKE sich weiter ins Abseits befördern. Die gewünschte Beteiligung an der Macht durch ein untertäniges mittragen des Kriegskurses, ist historisch verantwortungslos und wird es zudem nicht geben.

Nicht umsonst hatte wohl Gregor Gysi demonstrativ, als Zeichen der Einheit, den Friedensaufruf von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer unterzeichnet. Dass die Hamburger Landessprecher_innen meinen, sie müssten gegen die Demo in Berlin sprechen, ist respektlos, unsolidarisch und peinlich.

Es ist ja gerade eine Strategie der Rechten, Linke Forderungen zu übernehmen – egal ob Front National oder AfD – beide tun das im sozialen Bereich – und nun im Bereich der Friedenspolitik. Das sollten wir offen legen. Die AfD ist rechtspopulistisch und völkisch-nationalistisch und auch eine militaristische Partei. Das muss gesagt und offen gelegt werden und wir dürfen deren Lügen nicht die Straße und Bewegungen überlassen. Gerade deshalb sollten so viele Linke und Humanist_innen nach Berlin fahren wie möglich, denn das ist das beste Mittel gegen rechte Vereinahmungsversuche der Friedensbewegung.

Nur gemeinsam und mit einer großen Bewegung können wir die Rüstungslobby und die Bundesregierung, die sich für Krieg als Mittel der Durchsetzung eigener Ziele entschieden hat, zu einer friedlichen Politik zwingen.

Hier zur Erinnerung ein Auszug aus dem Parteiprogramm:

„Frieden in Solidarität statt Kriege

Für DIE LINKE ist Krieg kein Mittel der Politik. Wir fordern die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat. Unabhängig von einer Entscheidung über den Verbleib Deutschlands in der NATO wird DIE LINKE in jeder politischen Konstellation dafür eintreten, dass Deutschland aus den militärischen Strukturen des Militärbündnisses austritt und die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen wird. Wir fordern das sofortige Ende aller Kampfeinsätze der Bundeswehr.

Dazu gehören auch deutsche Beteiligungen an UN-mandatierten Militäreinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta, zumal der Sicherheitsrat noch nie chartagemäß Beschlüsse gegen Aggressoren wie die NATO beim Jugoslawienkrieg oder die USA beim Irakkrieg gefasst hat. Um Akzeptanz für die Militarisierung der Außenpolitik zu erlangen, ist zunehmend von „zivilmilitärischer Kooperation“ und von Konzepten zur „vernetzten Sicherheit“ die Rede. DIE LINKE lehnt eine Verknüpfung von militärischen und zivilen Maßnahmen ab. Sie will nicht, dass zivile Hilfe für militärische Zwecke instrumentalisiert wird. Sie will, dass ein Rüstungsexportverbot im Grundgesetz verankert wird.“

Wir fordern vom Landesvorstand und den Landessprecher_innen, dass sie das Parteiprogramm und die darin enthaltene konsequente Friedensposition einhalten und nach außen vertreten – ansonsten sind sie fehl am Platz.

Mit solidarischen Grüßen

Mehmet Yildiz und Martin Dolzer

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