Elbtower, Gänsemarkt, Alsterarkaden, Apotheke am Gänsemarkt, Hamburg Commercial Bank, Thalia Haus und die Flüggerhöfe am Rödingsmarkt, all das sind Projekte in Hamburg von Rene Benko, deren Bau momentan still liegt. Zusätzlich hat Benko Galeria-Kaufhof Karstadt innerhalb von 3 ½ Jahren dreimal in die Insolvenz geführt.

Investoren geht es grundsätzlich um Gewinne. Stadtentwicklung kann nur in staatlicher Hand und mit einer langfristig angelegten sozialen Planung der Gesellschaft dienen

In Bezug auf die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des Investors Rene Benko, dessen Unternehmen den Elbtower bauen sollten und Galeria-Kaufhof Karstadt wiederholt in die Insolvenz führten, steckte der Senat lange den Kopf in den Sand. Egal ob Handelsblatt, Spiegel, Stern, Wirtschaftswoche, Vertreter_innen des Netzwerks Steuergerechtigkeit oder Politiker_innen in anderen Bundesländern – alle stellten die Vertrauenswürdigkeit Benkos zu Recht vehement in Frage. Der Multimilliardär stand schon lange wegen seiner undurchsichtigen Geschäftspraktiken, Steuervermeidungsstrategien und Ermittlungsverfahren wegen Korruptionsverdacht in der Kritik.(1)

Benko verdient durch riskante Investitionen und an Insolvenzverfahren Milliardenbeträge und wälzt im Falle des Scheiterns die Kosten regelmäßig auf die Steuerzahler_innen und Angestellte ab, während er Gewinne über Luxemburg in Stiftungen abführt.(2) Viele weitere Investoren haben eine ähnliche Geschäftspraxis. Dies wird jedoch nicht wie bei Benko ans Tageslicht gezogen.

Dass der Senat trotzdem auf Benko für den Bau des Elbtowers setzte und zudem im Gegensatz zu sämtlichen weiteren Akteuren, die Unternehmen unter dem Schirm der Signa Prime Selection AG als nicht von Benko dominiert ansah, war verantwortungslos und grenzte schon an Realitätsverweigerung.

Anhand Benkos Geschäftspraktiken und den steigenden Baukosten war absehbar, dass das Elbtower Projekt scheitern musste. Nun steht die Baustelle bei rund 100 Metern Höhe still, weil Rechnungen nicht bezahlt wurden und Signa, Benko sowie die Hamburg, Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG, Insolvenz angemeldet haben. Gläubiger des insolventen Immobilienkonzerns haben Strafanzeige bei der österreichischen Staatsanwaltschaft gestellt. Laut Financial Times soll es sich dabei um eine Gruppe institutioneller Investoren handeln. In einer Stellungnahme heißt es, vor dem Insolvenzantrag seien Vermögenswerte von mehr als 660 Millionen Euro ohne wirtschaftliche Rechtfertigung an Gesellschafter und Schwestergesellschaften übertragen worden.(3)

Zu befürchten ist, dass wie im Fall der Elbphilharmonie (deren Bau 760 Millionen anstatt 70 Millionen kostete – von denen 690 Millionen aus dem von den Steuerzahler_innen getragenen Haushalt der Hansestadt kamen) erneut die Steuerzahler_innen für den Fertigbau eines Prestigeobjekts zur Kasse gebeten werden. Der Elbtower soll geplante 900 Millionen Euro kosten. Es könnte sein, dass eine Fertigstellung weit teurer werden würde.

Sieben große Bauprojekte Benkos in Hamburg haben keine Perspektive für die Zukunft

Aber der Elbtower ist nicht das einzige Projekt in Benkos Verantwortung, das nun in Hamburg brach liegt. Insgesamt gehören neben dem Elbtower 6 weitere Prestigeträchtige-Immobilien in der Stadt dem Konzern Signa-Holding.

1. Gänsemarkt

Wenige Tage vor dem Baustopp am Elbtower hatte Signa bereits die Arbeiten am Gänsemarkt eingestellt. Dort wurde Anfang 2023 die Gänsemarktpassage abgerissen – vermeintlich um Platz für Büros und Luxuswohnungen zu schaffen. Ob und wenn, wann der Bau dort wieder aufgenommen wird, ist sehr fraglich. Signa verkündete, dass der Bau erst wieder aufgenommen wird, wenn genügend Mieter für dieses Projekt gefunden würden. Doch ob sich nach der Insolvenz des Unternehmens noch weitere Mieter für das 17.000 Quadratmeter große Projekt finden, ist mehr als fraglich.(4)

2. Alserarkaden/Jungfernstieg

In ein Haus an der Ecke Alsterarkaden-Jungfernstieg sollte bis 2025 auf 800 Quadratmetern der Juwelier Wempe einziehen. Auch dort stehen die Bauarbeiten still. Während der Bauarbeiten war der alteingesessene Juwelier Ende August 2023 in ein Übergangsquartier am Neuen Wall umgezogen.(5)

3. Apotheke am Gänsemarkt

Auch der Altbau direkt neben der Baulücke, die durch den Abriss der Gänsemarkt-Passage entstanden ist, gehört neuerdings ebenfalls der Signa Gruppe. Dort ist „Roth‘s alte englische Apotheke“ ansässig und „Grüne‘s Leihhäuser“. Nachdem Signa den Mietern zuerst die Kündigung androhte, könnte es nun sein, dass der Konzern sie doch halten will. Genaues ist noch unsicher.(6)

4. Hamburg Commercial Bank

Der Sitz der Hamburg Commercial Bank (HCOB) ehemals HSH Nordbank am Gerhart-Hauptmann-Platz wurde ebenfalls 2020 von Signa erworben. Die Bank plante ihre Zentrale 2025 in den Elbtwoer zu verlegen. Dafür war gedacht ca.11.000 Quadratmeter im Elbtower anzumieten. Von diesen Plänen hat sich die HCOB  mittlerweile verabschiedet. Geplant war, dass die Signa nach dem Umzug das jetzige Gebäude der HCOB in Wohnungen und Raum für Einzelhandel und Gastronomie umbauen würde. Niemand weiß momentan, wie es dort weitergeht.(7)

5. Thalia Haus

Das zweigeschossige Thalia-Haus an der Kleinen Rosenstraße war über eine Brücke mit dem Haupthaus von Galeria-Karstadt verbunden. Dort wurden Betten, Küchenbedarf, Lebensmittel, Stoffe und Spielwaren verkauft. Ende 2022 wurde das Haus von Galeria-Kartstadt geräumt und das Sortiment verkleinert. Anfang des Jahres hat Signa dann die Brücke abreißen lassen. Hier sollten Büros, Wohnungen und Gewerbeflächen entstehen. Zusätzlich sollen die vier dort vorhandenen Parkdecks abgerissen und die übrigen Geschosse aufgestockt werden.  Berichten des NDR zufolge ruhen auch hier die Bauarbeiten.(8)

6. Flüggerhöfe am Rödingsmarkt

Ebenfalls von einem Baustopp betroffen sind die Flüggerhöfe am Rödingsmarkt. Wie beim Elbtower sollen Zahlungen der Signa an das zuständige Bauunternehmen ausstehen. Geplant war hier bis 2024 auf rund 8600 Quadratmetern Luxus-Büros und Wohnungen zu bauen.

Die zuvor genannten Objekte sind die größten Baustellen der Signa in Hamburg. Der Konzern ist darüber hinaus im Besitz des Kaufmannshaus im Passageviertel und von Anteilen am Alsterhaus Luxuskaufhaus.(9)

Galeria-Kaufhof Karstadt – Benko hat das Kaufhaus in den Ruin getrieben

Über Jahre haben die Beschäftigten auf Ihre Lohnerhöhungen verzichtet obwohl Rene Benko als Investor hinter dem Unternehmen während der Corona Krise noch 680 Millionen Euro staatliche Hilfe bekommen hatte. Gleichzeitig kaufte Benko Sport Scheck, dass er dann ebenfalls in die Insolvenz führte. Nun ist Galeria-Kaufhof Karstadt zum dritten mal innerhalb von 3 ½ Jahren insolvent und nun letztendlich ihren Eigentümer Rene Benko los. Noch ist unsicher, wie viele der 92 Filialen mit insgesamt mehr als 15.000 Beschäftigten den Zusammenbruch der Signa-Gruppe überleben werden.

Der Insolvenzverwalter von Galeria, Stefan Denkhaus, versicherte „Wir sprechen mögliche Investoren an, die ein operatives Interesse an Galeria haben“ – anders als Benko, dem es um die Immobilien ging. Ziel des Anfang Januar eröffneten Insolvenzverfahrens ist der Fortbestand der Warenhäuser.

Die Liquidität von Galeria reicht laut Denkhaus bis in den Spätsommer 2024, auch, weil die Bundesagentur für Arbeit mit ihrem Insolvenzgeld drei Monate lang für die Gehälter aufkommt. Eine besondere Belastung für die Kette sind vollkommen überteuerte Mieten, die 18 Filialen nach wie vor an Eigentümer aus der zerfallenden Signa-Gruppe zahlen. Mieten weit über Marktniveau, die bisher an Signa-Tochterfirmen flossen. Die Mietverträge sollen neu verhandelt und notfalls gekündigt werden.(10)

Eine andere Perspektive für Galeria Karstadt Kaufhof

Anstatt immer wieder für die Daseinsvorsorge und die Gesellschaft wichtige Betriebe Investoren zu überlassen, die diese weiter ruinieren, sollte die öffentliche Hand, der Staat, in diesem Fall Galerie Kaufhof kaufen und dann gemeinsam mit den Angestellten ein genossenschaftliches Modell entwickeln. Das würde die Arbeitsplätze sichern und der Bevölkerung Zugang zum Einkauf alltäglicher Güter jenseits von Online Shopping ermöglichen.

In Hamburg könnte so zum Beispiel Galerie-Kaufhof in der Mönkebergstrasse zu einem Kaufhaus mit Kultur, Gesundheitseinrichtungen, Büros und Sozialkultur im Erdgeschoss umgewandelt werden. Viele Karstadt und Galeria-Kaufhof Filialen liegen zentral und können zu attraktiven Anziehungspunkten gemacht werden. Hier sollten die Bundesregierung, die Bundesländer und Kommunen die Entwicklung nicht mehr Investoren überlassen, sondern die Sache selber in die Hand nehmen.

Der österreichische Volkswirt Clemens August Andreae, hatte mit seinen Mitarbeiter_innen der Treuhand unter der Führung Detlev Carsten Rohwedder eine Möglichkeit für die Umgestaltung ehemaliger DDR-Betriebe vorgeschlagen. Die Organisationsform des Gerätewerks Matrei. Matrei funktionierte und funktioniert seit Jahrzehnten erfolgreich als Produktivgenossenschaft und ist damit gleichermaßen ein Unternehmen, dessen Organisationsform modellhaft für andere Betriebe stehen könnte, die jedoch für konventionell denkende Wirtschaftsgrößen ein Ärgernis wäre.11 Matrei ist wirtschaftlich erfolgreich und ein Spitzenunternehmen und sagt über sich „Wir sind eine funktionierende Produktivgenossenschaft nach Schulze Delitsch. Das Eigentum am Gerätewerk Matrei liegt ausschließlich in den Händen der MitarbeiterInnen. Basis dieser Betriebsform ist die Mitbestimmung und Mitverantwortung. Diese prägt das unternehmerische Denken und Handeln und sorge für Transparenz und sachbezogenen Entscheidungen. Ziel der Genossenschaft ist nicht der maximale Gewinn, sondern die Existenzsicherung der Mitarbeiterinnen sowie die Weiterentwicklung des Unternehmens. Gewinne werden deshalb nicht als Renditen ausgezahlt, sondern für Investitionen verwendet.12 Als Rohwedder 1991 unter ungeklärten Umständen bei einem Attentat ermordet wurde, setzte die neue Leitung der Treuhand die weitgehende Zerschlagung und Ausverkauf der ehemaligen DDR Betriebe durch.

Die Organisationsform Matreis ist kollektiv und bringt eine hohe Motivationskraft und Kreativität der Mitarbeiter_innen mit sich. Nicht nur für Galeria-Kaufhof Karstadt wäre das eine gute Entwicklungsperspektive.

Für eine solidarische Stadt

Aus unserer Perspektive ist eine soziale, solidarische Stadt mit vielfältiger sozialer Struktur der Stadtteile möglich. Doch geht es dem Senat darum in seiner Stadtentwicklungspolitik nicht. Das wird am Beispiel der verantwortungslosen Zusammenarbeit mit Rene Benko deutlich. Leider ist Benko nicht der einzige profitorientierte Investor, der die Stadtentwicklung Hamburgs momentan entscheidend mitprägt. Für den Senat steht offenbar Profitmaximierung im Vordergrund, nicht die Belange und Bedarfe der Menschen vor Ort und der Stadtteilanwohner.

Während in der Hafen-City ein neuer Stadtteil für Privilegierte aus dem Boden gestampft wurde und wird – samt guter Infrastruktur, werden die Menschen zum Beispiel in Steilshop, Mümmelmannsberg und Billstedt immer weitergehend im Stich gelassen. Die mangelnde ÖPNV Anbindung ist da nur die Spitze des Eisbergs. Betrachtet man das durchschnittliche Einkommen in den Stadtteilen, wird dann auch klar, dass die im Hinblick auf die soziale Infrastruktur benachteiligten Quartiere das niedrigste Einkommen aufweisen. In Billstedt etwa beträgt das durchschnittliche Jahreseinkommen rund 22.000 €, in Steilshop ebenfalls €, in Wilhelmsburg rund 21.000 €. Zum Vergleich liegt der durchschnittliche Verdienst in Blankenese und in Othmarschen bei über 103.000 €.

Gezielte Investitionen in Stadtteilen mit niedrigen und mittleren Einkommen würden zwar nicht monetäre Veränderungen im Einkommen bewirken, zumindest aber die Lebenssituation der Menschen positiv verändern.

Versagen und Konzeptlosigkeit des Senats

Die Politik des Senates bewirkt jedoch das Gegenteil. Ein ähnliches Versagen im Bereich der Gesundheitsversorgung lässt sich beispielsweise im kinderreichsten Stadtteil Mümmelmannsberg feststellen: Für 18.500 Bewohner_innen steht lediglich ein Kinderarzt zur Verfügung. In Blankenese (13.000 Einwohner_innen) stehen drei Kinderärzte zur Verfügung. In Steilshop stehen weder genügend Ärzt_innen noch eine einzige Bankfiliale zur Verfügung.
Der Trend, die Stadtteilentwicklung privaten Interessen der großen Immobiliengesellschaften und einiger weniger Privilegierter unterzuordnen, muss gestoppt werden.

Eine alternative Stadtplanung

Die Wohnungsbaupolitik in Wien zeigt eine eindrucksvolle Alternative auf. Momentan gehören der Stadt Wien 200.000 Wohnungen, weitere 220.000 hat sie finanziell gefördert. Dadurch leben 2/3 der Wiener Bevölkerung in sozial geförderten Wohnungen bzw. einer Gemeindewohnung. Die Nettokaltmieten liegen hier zwischen 3 und 10 Euro pro Quadratmeter, private Wohnungsvermieter verlangen das Doppelte. Das Wiener Modell gilt europaweit bei Sozialpolitiker_innen als voller Erfolg., „Problemviertel“ und Diskriminierung gibt es kaum.

Davon sind wir in Hamburg meilenweit entfernt. Wir dürfen die Stadtteilpolitik nicht mehr den Investoren und Spekulanten überlassen.

Dazu gehören unter anderem folgende Sofortmaßnahmen:

Teile des aktuellen Leerstandes an Büroflächen von 900.000 Quadratmetern müssen in Wohnungen umgewandelt und vorwiegend für die Unterbringung von Geflüchteten und Wohnungslosen sowie als Sozialwohnungen genutzt werden.

Die städtischen Freiflächen dürfen nicht an Investoren vergeben werden, um kurzfristige Profiinteressen zu befriedigen.

Die städtischen Freiflächen müssen von der Hansestadt Hamburg genutzt werden, um städtische Wohnungen zu bauen, die bezahlbare Mieten ermöglichen.

Um dabei keine sozialen Brennpunkte entstehen zu lassen, muss neben dem sozialen Wohnungsbau auch die soziale Infrastruktur (Ärzte, Kultur- und Jugendeinrichtungen, Schulen, Kitas, Sportanlagen und ÖPNV etc.) der einzelnen Bezirke und Stadtteile weiter ausgebaut werden. Jegliche Stadtteilplanung muss das mit einbeziehen.

Nicht das Einkommen darf für die Wahl des Wohnortes innerhalb Hamburgs entscheidend sein.

(1)https://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/familienunternehmer/signa-holding-rene-benko-unter-bestechungsverdacht-das-sind-die-vorwuerfe-der-ermittler-gegen-den-galeria-eigentuemer/28755736.html

(2)https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/rene-benko-galeria-eigentuemer-milliardaer-aus-oesterreich,TYbTbTt
(3)https://www.jungewelt.de/artikel/468780.gläubiger-erstatten-anzeige-gegen-signa.html?sstr=Galeria
(4)https://www.mopo.de/hamburg/diese-top-immobilien-gehoeren-zum-untergehenden-benko-imperium/
(5)ebd.
(6)ebd.
(7)ebd.
(8)ebd.
(9)ebd.
(10)https://www.jungewelt.de/artikel/468464.immobilienspekulation-galeria-kaufhof-karstadt-sucht-operatives-interesse.html?sstr=Galeria
(11)https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfgg-1991-0134/pdf
(12)https://de.wikipedia.org/wiki/Gerätewerk_Matrei

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