Wir haben beschlossen aus der Partei DIE LINKE auszutreten

Die Partei DIE LINKE organisiert und vertritt nicht mehr die Interessen der Arbeiter_innen, der Kinder und Jugendlichen, der Migrant_innen, sowie der Unterdrückten und setzt sich nicht mehr für Gleichberechtigung ein. Sie hat ihren Kampf für eine demokratisch-sozialistische Gesellschaft aufgegeben. Die Partei ist leider vielmehr weitgehend zu einer stabilisierenden Kraft der neoliberalen Verhältnisse, der Ausbeutung und einer menschenverachtenden Kriegspolitik geworden, die im schlimmsten Fall zu einem dritten Weltkrieg führen kann.

Die Mehrheit der Vorstände, des Parteiapparats und der Funktionär_innen der Partei steht schon seit längerer Zeit der Friedensbewegung, sowie gesellschaftlichen, sozialen, gewerkschaftlichen und widerständigen Bewegungen eher im Weg, als sie zu unterstützen. Im besten Falle werden mittlerweile instrumentelle Beziehungen mit Vertreter_innen von außerparlamentarischen oder migrantischen Organisationen oder Einzelpersonen gepflegt. Die klaren sozialpolitischen und friedenspolitischen Positionen aus dem Erfurter Programm (dem gültigen Parteiprogramm) werden dabei täglich unterwandert.

Im Angesicht zahlreicher Kriege und dem neoliberal geprägten Kassenkampf von „Oben“, hat eine sozialistische Partei – hat eine linke Partei – die Aufgabe dazu beizutragen den Herrschenden einen Klassenkampf entgegenzusetzen und sich klar an der Seite der Arbeiter_innen, der Frauen, der Jugendlichen, der Migrant_innen und der Friedensbewegung zu positionieren, um den großen Unternehmen, der Rüstungsindustrie und der selbstzerstörerischen Außenpolitik der Bundesregierung entscheidend Paroli zu bieten und eine humanistische Entwicklungsperspektive aufzuzeigen. Zudem hat sie die Aufgabe die Meinungsfreiheit zu schützen und Tendenzen von totalitärem Anpassungsdruck entgegenzuwirken.

Die Inflation treibt viele Menschen und kleine Unternehmen in der anhaltenden Wirtschaftskrise an den Rand des existenziellen Ruins und in den zahlreichen weltweiten Kriegen sterben zuerst die finanziell Armen – es verdienen die Reichen.

DIE LINKE ist leider eher zu einem Teil dieser Probleme geworden, als ihnen entschieden entgegenzuwirken. Fraktionen, Vorstände und der Parteiapparat wurden hauptsächlich von Menschen übernommen, die eine klare Oppositionspolitik aufgegeben haben, Regierungsbeteiligungen um jeden Preis anstreben und versuchen ihre Karriere zu fördern sowie Posten zu erhalten und zu vergeben. Anstatt die erkämpften Arbeitsrechte und Menschenrechte, das Völkerrecht und den Frieden konsequent zu verteidigen, werden immer weitergehende Zugeständnisse gegen die Interessen der Mehrheit der weltweiten Bevölkerung gemacht. Die Partei und die Fraktionen nutzen ihre Ressourcen in diesem Rahmen nicht um gesellschaftliche Entwicklungen weltweit, auf Bundesebene, auf dem Land, in Städten und Kommunen, in Betrieben, an Schulen und Hochschulen entscheidend in Richtung sozialer Gleichheit, Solidarität und Frieden mit zu entwickeln, sondern hauptsächlich dafür Posten abzusichern und eigene Klientel zu bedienen. Die Menschen merken das und erteilten bei sämtlichen letzten Wahlen dafür die Quittung.

Eine solche Politik versuchen Teile des „Führungspersonals“ mit starker Aggressivität und Spaltungsversuchen gegen Bewegungen (z.B. die Friedensbewegung, die Bewegung zur Enteignung von Immobilienspekulanten und antirassistische Bündnisse) und innerhalb der eigenen Partei durchzusetzen. Dazu gehört es auch Genoss_innen und Bewegungen, die eine entschlossene Oppositionspolitik betreiben, auszugrenzen, zu mobben und zu versuchen sie mit allen Mitteln handlungsunfähig oder mundtod zu machen. In Hamburg beitreiben der jetzige Geschäftsführende Landesvorstand, einige graue Eminenzen und Teile der Bürgerschaftsfraktion eine solche Politik – darüber hinaus wird aus diesen Reihen auch immer wieder mit rassistischer Überheblichkeit gegen migrantische Mitglieder, Vorstandsmitglieder und Abgeordnete agiert, wenn diese nicht bereit sind oder waren, sich der angepassten Politik von Vorstand und Fraktion unterzuordnen. Eine solche respektlose und instrumentelle Herangehensweise lehnen wir ab. Ein solches Handeln bedeutet das Gegenteil von Respekt und Solidarität.

Vorstand, Apparat und Spitzenfunktionär_innen auf Bundes- und Landesebene schaffen es – trotz sichtbarer Krise der Partei – bis heute nicht, eigene Fehler zu analysieren und zu korrigieren. Hier wird offenbar – zumindest von Einigen – mehr oder weniger bewusst, der totalitäre Deutungsanspruch der neoliberalen Bourgeousie und die Mentalität der überheblichen scheinbaren Unfehlbarkeit – die Arroganz der Macht – nachgeahmt. Einige Beispiele sind: Regierungsbeteiligungen ohne eigene Akzente; das Einknicken in der Opposition gegen Sozialabbau bei den Anti-Hartz 4 Protesten und während der Proteste zur Zeit der Finanzkrise 2008; das Mittragen der Feindbildstimmungsmache gegen Russland und China; das Mittragen der verheerenden Sanktionen gegen Russland; die weitgehenden Kritiklosigkeit gegenüber Corona-Hilfspaketen und Maßnahmen zugunsten des (Monopol)kapitals; die mangelnde Kritik an der Aufrüstung der Ukraine und der Hochrüstung der Bundeswehr; das mangelnde Engagement in der Jugendarbeit im Osten und strukturschwachen Regionen im Westen; das Konzentrieren auf Bürgerrechte anstatt auch auf eine Fundamentalkritik gegen die undemokratische Organisationsform der G20 bei deren Gipfel in Hamburg; die Aufstellung der Mehrheit von Parteitagsdelegierten aus dem bezahlten Apparat auf Bundes- und Landesebene; der mobbende Umgang mit Genoss_innen und Funktionär_innen, die den angepassten Kurs jenseits des Parteiprogramms nicht mittragen wollen; die Konzentration auf Wähler_innen aus der „urbanen, grünen Mittelschicht“. In all diesen sowie diversen weiteren Bereichen wurden Fehler gemacht und nie hinterfragt, geschweige denn korrigiert.

Stattdessen wurden Sarah Wagenknecht und ihr Umfeld für den Niedergang der Partei verantwortlich gemacht und gegen sie und weitere Genoss_innen über die Medien und parteiintern Kampagnen geführt. Wer derart unreflektiert agiert, kann kein gutes Vorbild für die Gestaltung einer solidarischen Gesellschaft sein.

Zuletzt hat der Europaparteitag Ende November gezeigt, dass die Partei DIE LINKE den Weg des „Weiter so“ einschlägt. Ein Wahlprogramm, dass weder die neoliberale und militaristische, undemokratische Struktur der EU analysiert, geschweige denn konsequent kritisiert, noch eine klare Friedenspolitik jenseits der Integration in die US-geführte NATO formuliert, ist kein linkes (geschweige sozialistisches) Programm. Wer selbstzerstörerische Sanktionen mitträgt und sich Feindbilder zu Eigen macht, um Kriege und Gewalt zu rechtfertigen bewegt sich jenseits humanistischer Ideen. Wer sich nicht traut zentrale Industrien wie die Energieunternehmen und die Daseinsversorgung (Krankenhäuser usw.) zu vergesellschaften, wird keine soziale Gleichheit herstellen oder die Umwelt und das Klima schützen können. Ein Programm, dass sich zwar gegen das Sterben der Geflüchteten im Mittelmeer wendet, nicht aber mutig genug ist, die Fluchtursachen, an denen die EU mit ihrer aggressiven neokolonialen Politik samt Ausbeutung von Rohstoffen, Kriegen und militärischer Abschottung, Waffenlieferungen entscheidend mitbeteiligt ist, scharf zu kritisieren und eine Alternative aufzuzeigen, ist mangelhaft und perspektivlos. Für uns sind zudem weder Antikommunist_innen, noch Menschen, die ihre eigene Geschichte für eine Karriere im Europaparlament über Bord werfen, als Kandidat_innen auf einer Liste zur Europawahl tragbar.
Wir teilen nicht die Illusion, dass allein mit Stellvertreterpolitik im Parlament oder gar in Regierungsbeteiligungen ohne gesellschaftliche Mehrheiten eine Gesellschaft im Sinne der Mehrheitsbevölkerung (demokratischer Sozialismus) gestaltet werden kann.

In einer Situation wie der jetzigen, mit Krieg, Wirtschaftskrise, steigender Inflation und dem Erstarken rechter Kräfte, ist es notwendig gemeinsam mit den Arbeiter_innen, Gewerkschaften, Initiativen, Migrant_innen sowie finanziell Benachteiligten und Unterdrückten, Protest zu organisieren und eine Politik zu entwickeln, die konsequent für Frieden und soziale Gleichheit und gegen rechte und faschistische Kräfte wirkt. Die Illusion allein mit Stellvertreterpolitik im Parlament oder gar in Regierungsbeteiligungen ohne gesellschaftliche Mehrheiten eine kapitalistische Gesellschaft im Sinne der Mehrheitsbevölkerung gestalten zu können, hat bisher immer in die Sackgasse geführt und wird das auch immer wieder tun. Jede linke Partei sollte ihre Strategiebildung und ihr Arbeitszentrum nicht im Parlament suchen, sondern dort und gesamtgesellschaftlich eine vorher entwickelte Strategie zur Gestaltung der Gesellschaft anwenden.

Wir sind der Ansicht, dass dem Erstarken rechtspopulistischer und faschistischer Kräfte nur mit einer konsequenten sozialistischen Perspektive und deren glaubwürdigen Entwicklung und Vertretung begegnet werden kann. Dazu ist DIE LINKE leider nicht mehr in der Lage.

In einer Krise braucht die Gesellschaft eine starke sozialistische Partei, die in Betrieben, in der Ausbildung, in Organisationen, in Schulen und Hochschulen, in der Kunst und Kultur, in den Stadtteilen und Kommunen sowie allen weiteren gesellschaftlichen Bereichen verankert ist und gemeinsam mit den Menschen Widerstand gegen Unrecht und Krieg formiert und die Gesellschaft solidarisch gestaltet – und das nicht nur in einigen urbanen, grün geprägten Zentren, sondern überall.

Den Weg zu einer solchen Politik kann nur ein notwendiger Aufbruch ebnen, den wir aus den benannten Gründen leider nur jenseits der Partei DIE LINKE gestalten können. Um Raum für diesen Aufbruch zu haben und zu schaffen treten wir Heute, am 07.01.2024, gemeinsam aus der Partei aus.

Mit solidarischen Grüßen

Mehmet Yildiz (Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft)
Martin Dolzer (Musiker, Journalist und ehem. Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft)

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